Geschichtlicher Abriss vom Steinheben
Bezüglich der Darstellung der Geschichte des Steinhebens können wir leider keine wissenschaftlich fundierte, sondern nur überlieferte Angaben machen. Sollten genau Sie genaueres wissen, dann teilen Sie es uns bitte mit.
Von den Römern, Helvetiern und Germanen
Die durch harte Lebensbedingungen gestählten Helvetier flössten selbst einem Cäsar Achtung ein. Ausgrabungen beweisen, dass die Römer im oberen Helvetien ihre Leibesübungen betrieben. Nach Festigung des Christentums duldete die Kirche zur leichten Bekehrung der germanischen Volksstämme deren Gewohnheiten in Kraftspielen aller Art. Der Kampf für die Freiheit und die Weihe der Feste durch Körperübungen, veranlasste unsere Vorfahren aber auch noch weiterhin durch die Jahrhunderte hindurch, den Leib hart und tüchtig zu machen. Die spärlichen Quellen über die Leibesübungen fanden in alten Spielen ihre liebevolle Pflege bei den Hirten und Sennen, in den Zünften und Knabschaften, im Wetteifer der Gemeinden, in der Weihe religiöser Feste und in Bräuchen und Sitten. Das Spiel musste sich gerade in unserem Land der Gegensätze, im Herzen Europas, am Treffpunkt vieler Kulturen, an wichtigen Durchgangsstrassen zwischen Nord und Süd, besonders mannigfaltig und eigenartig entwickeln. Mit ganzer Seele beging man Feiern zur Erinnerung an Waffentaten, von Fasnachts- und Zunftanlässen, wobei die Teilnehmer Frohsinn und Freundschaft, Kraft und Geschicklichkeit in Spielkämpfen pflegten. Die freundschaftlichen Zusammenkünfte scheinen selbst auf die in Fehden verwickelten Brüder ihre einigende Nachwirkung ausgeübt zu haben. Das gemeinsame Erleben des ganzen Volkes überbrückte auch Standesunterschiede. Demnach schätzten damals auch Amtspersonen die volkstümlichen Wettkämpfe. Nach der Wahl der Räte ging man auf einen Platz und sprang, rang, lief, hob und stiess Steine.
Schützenfest in St. Gallen 1583 (dritte Gestalt von oben rechts ein Steinheber)
Chroniken melden: die ältesten Spiele fanden an sogenannten Alp- und Weidstubeten statt. Da übte man sich im Springen, Ringen, Tanzen, Kegelschieben, Blattenschiessen und Steinstossen. Leute beiderlei Geschlechts versammelten sich zu diesem Zweck im Frühling und Herbst auf den hierzu angewiesenen Plätzen. Ein Mitglied des Rates und der Landesweibel beaufsichtigten diese Spiele im Namen der Obrigkeit. Die älteste Verordnung hierüber lautet folgendermassen: "Die Waid- und Alpstubeten sollen dem jungen Volk nach der Nachmittagspredigt erlaubt sein. Damit sie ihren Mut in Zucht und Ehren zeigen können, soll deswegen jeder Messner eine Stunde früher einläuten, damit man an dieselben könne". Mit Blumensträussen geschmückte Jünglinge und Mädchen zogen unter Gesang um das Dorf. Zwischen den Strömungen der Leibesübungen schienen unsere alten Spiele zu ersticken aber das Volk hielt glücklicherweise zäh an ihren Überlieferungen fest. Vereine, Verbände, Erziehungsanstalten und das Militär nahmen sich einiger alten Spiele an. Stark gewordene Turnverbände waren dazu berufen, einige Spiele wie Schwingen, Steinstossen, Ringen und Steinheben unter seine starken Fittiche zu nehmen und ihr Weiterleben durch belehrende Kurse und anfeuernde Feste zu gewährleisten.
Volksleben und Brauchtum wären natürlich unvorstellbar ohne dem Kräftemessen der Burschen, ohne Spiel und einer zünftigen Gaudi. Zahlreiche bäuerliche Gesellschaftsspiele sind bereits aus früheren Jahrhunderten bekannt, vor allem das Kegeln, das Kartenspiel und verschiedene Brett-, Würfel- und Tischkegelspiele. Das Glücksrad war eine beliebte Kirchtagsunterhaltung. Hat es auch eine sportliche Betätigung in unserem heutigen Sinn früher nicht gegeben, so haben sich dennoch bestimmte Formen und Regeln entwickelt, nach denen die Burschen ihre Geschicklichkeit beweisen und ihre Kräfte demonstrieren konnten: Steinheben, Fingerhakelziehen, Faustschieben, Seilziehen und vor allem das Rangeln, ein nach strengen Regeln ausgetragener Ringkampf, waren solche bäuerlichen Sportarten. Sie werden zum Teil heute noch wettkampfmäßig ausgeübt. Es gibt auch überregionale Meisterschaften, da diese urtümlichen Sportdisziplinen im ganzen bajuwarisch besiedelten Raum verbreitet sind.
Das Aufheben eines schweren Steins war immer schon eine beliebte Kraftprobe. Daraus entwickelte sich eine regelrechte Sportart, die im gesamten bajuwarisch besiedelten Raum, der bis heute wettkampfmäßig ausgeübt wird. Auch in der heutigen Zeit gibt es regelmäßig Vergleichskämpfe zwischen Bayern, Tirol und anderen Ländern.
(Gemälde von Franz von Defregger aus dem Jahr 1898)
Turner, Olympia und die schweren Steine
Aus der Volksgaudi entwickelte sich allmählich und parallel ein ernsthafter Sport. 1855 wurden Schwingen, Ringen, Steinstossen und Steinheben als 'Nationalturnen' zu einem selbständigen Wettkampf in den meisten deutssprachigen Ländern zusammengefasst. Um nicht nur einige, ausgewählte Spezialisten an den Festen zusammenzuführen, wurden 1859 erstmals sogenannte 'Gemeinübungen' vorgeführt, was 1861 zur Schaffung des 'Sektionsturnens' führte. Anfang der 1880er Jahre wurden schliesslich die ‚allgemeinen Übungen' eingeführt, die noch heute ein eindrückliches Bild der Turnfertigkeit vermitteln. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts öffnete sich die Turnvereine sachte auch gegenüber der Sportbewegung. Etwa zur gleichen Zeit erfolgten auch verschiedene Europäische und weltweite Wettkämpfe. Die zweiten Sommerspiele fanden in Paris vom 20. Mai bis 28. Oktober statt. Sie wurden über fünf Monate gestreckt, weil gleichzeitig in Paris die Weltausstellung zu Gast war. Korrekte Zahlen gibt es nicht, weil das IOC keine wirkliche Kontrolle über die Spiele hatte. Glaubwürdige Olympiastatistiker schätzen, dass rund 1300 Männer und 10 Frauen aus 22 Ländern an den (wahrscheinlich) 87 Wettwerben in (vermutlich) 18 Sportarten teilnahmen. Im Vergleich zu Athen, den ersten Spielen der Neuzeit, hatte sich die Zahl der Sportarten mindestens verdoppelt, darunter solche Wettbewerbe wie Motorbootrennen, Ballonwettfahrten, Unterwasserschwimmen und Hindernisschwimmen. Neu waren die heute klassischen olympischen Sportarten Bogenschießen, Fußball, Rudern und Segeln. Im Fechten kam der Degen Neu war auch, dass erstmals Frauen dabei waren, aber nur im Tennis und Golf. Der Mehrkampf besteht aus Geräteturnen, Weit-, Stabhoch-, Weithochsprung und Steinheben. Allein diese Tatsache lässt erkennen, dass die heutige Steinheberei eine echte Wettkampfsportart ist.
Paris 1900, gleichzeitig Ort der 2.Olympiade der Neuzeit und der Weltausstellung. Leider sind Fotodokumente von den Steinhebern nicht erhalten geblieben. Eindrücke von einer authentischen Postkarte aus dieser Zeit.
Schwere Jungs, Ringer und König Ludwig II. von Bayern
Die sportliche Organisation in Bayern nahm etwas andere Wege. Als Ersatz für den recht ruppigen Faustkampf machte sich die königlich bayerische Regierung die Vereinstätigkeit zu Nutze. Der Ringkampf in Bayern hatte Ende des letzten Jahrhunderts seinen Ursprung in der bayerischen Landeshauptstadt München. Seine Majestät König Ludwig II. von Bayern residierte in seinem Märchenschloß. Das Industriezeitalter stand bereits in den Kinderschuhen und in den Großstädten hatten die Fabrikarbeiter und Handwerker trotz 70-Stundenwoche an den Wochenenden, im Gegensatz zur Landbevölkerung, bereits "sinnvolle" Freizeitgestaltung vor Augen. Die jungen Turnvereine waren die Vorreiter bei den Sportvereinen im Deutschen Kaiserreich und damit auch im Königreich Bayern. In den Turnvereinen entstand auch der sogenannte Turner-Ringkampf. In dieser Zeit hatte Hans Steyrer, Wirt in der Münchner Lindwurmstraße, den Ruf eines "Bayerischen Herkules" und mußte sich deshalb gegen alle Herausforderer im Fingerhakeln, im einfingerigen Steinheben, im Faßstemmen und im deutschen Ringkampf messen. Aus dem bayerischen Oberland und selbst aus Wien reisten Gleichgesinnte an, um mit dem kräftigen Münchner Wirt zu wetteifern. Im „Metzgerbräu“ im Tal soll Steyrer einen Granitstein mit 264 kg mit einer Hand gehoben haben. Eine Leistung, die bis 1950 nicht überboten wurde. Der Stein soll bis zu dieser Zeit im „Metzgerbräu“ vergeblich auf einen würdigen Nachfolger gewartet haben. Bei meinen Recherchen in München konnte ich die Gastwirtschaft nach vielen Nachfragen doch noch finden. Zwischen Rathaus und Isartor befand sich vom Viktualienmarkt kommend der ehemalige Metzgerbräu im Tal Nr. 26 bis 28 auf der rechten Seite. Längst vergangene bessere Zeiten lassen sich nur noch erahnen. 1981 wurde das Lokal aufgegeben und im linken Teil befindet sich jetzt das Restaurant „Der kleine Chinese“. Unter einem ähnlichen Motto wird heute in regelmäßigen Abständen im Löwenbräukelle zu München (Nymphenburger Straße 2) noch immer zur Erbauung der Gäste traditionelles und abgewandeltes Steinheben betrieben. Zu bemerken wäre hierzu nur, dass der Steyrer Hans dies in seinem eigenen Lokal betrieb.
Oktoberfest und Legenden um Steyrer Hans
In der Fastenzeit wird das berühmte Starkbier ausgeschenkt. Dabei können sich die starken Männer aus dem Gästekreis am Heben des 508 Pfund schweren Steines, den der legendäre Steyrer Hans einst mit einem Finger lupfte, beteiligen. Im Gegensatz zur Selbstverständlichkeit, mit der sich andere Veranstalter, vor allem die Schützen, in der Stadt versammelten und gemeinsam zum Festplatz zogen, gab es beim Wiesn-Einzug der Festwirte von Anfang an Reglementierungen und sogar ein Festzugsverbot der Polizei. Dem Reglement entgegen setzte sich der Steyrer Hans, seines Zeichens Gastwirt diverser Münchner Schanken und von 1879 bis zu seinem Tod 1906 entgegen. Als Werbegag gedacht, zog der Steyrer erstmalig 1879 mit festlich geschmückten Wägen von seiner Wirtschaft in der Tegernseer Landstraße durch ganz München zur Theresienwiese. Er selbst fuhr auf einem mit Bierfässern beladenen Vierspänner, gefolgt von sieben Zweispännern die das Personal und die Musiker beförderten. Allerdings ist er damals nicht auf der Wiesn angekommen - im Stadtzentrum wurde er von der Polizei gestoppt und zur Umkehr gezwungen. Das nachfolgende Gerichtsverfahren endete mit der Verurteilung des Wirtes zu einer Geldstrafe, die ihn aber nicht von der Wiederholung des Einzuges in den folgenden Jahren abhalten konnte. Fast allabendlich fand nämlich zur Gaudi aller in seinem Festzelt auf der Bühne der traditionelle Steinhebe-Wettbewerb statt. Nach dem Vorbild des Steyrer Hans lupften die starken Kerle einen 508 Pfund schweren Stein in die Höhe. Doch nur die wirklich Starken durften auf die Bühne: außerhalb des Saales wurde jeder Kandidat zuvor einem kleinen Krafttest unterzogen, bei dem schon einmal 200 Kilo mindestens ein Stück weit angehoben werden musste. Wie Steyrer zu dieser immensen Kraft gelangte beschreibt die Legende damit, dass alltägliche Gebrauchsgegenstände einfach überdimensional schwer gehalten waren, oder war es lediglich das bedienen mit einer Vielzahl echter bayerischer Maßkrüge. Insider sprechen dabei von einer 30 kg wiegenden Schnupftabakdose. Leider sind keine nachgewiesen authentischen Originale erhalten. Es heißt, so manch ein Landwirt trainiere auf diesen Auftritt monatelang mit gefüllten Milchkannen. Ansonsten konkurrieren kräftig gebaute Mannsbilder aus allerlei Berufen, in denen körperliche Arbeit eine Rolle spielt: vom Bierfahrer bis zum Bauarbeiter reicht die Palette. Auf der Bühne im Scheinwerferlicht kann natürlich auch der fleissige Bodybuilder demonstrieren, ob seine Muskulatur wirklichen Herausforderungen standhält. Die echten Profis sparen sich ihre Kraft fürs Wochenende auf. Da messen sich dann schon einmal ein Dutzend lokaler Herkulesse im Steinlupfen.
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